13. Tag: Wir gewinnen an Höhe.

Alice hatte Recht! Irgendwo in unmittelbarer Nähe unserer Unterkunft gab es wohl eine muslimische Gebetsstätte, in der auch nachts (früh um 5 ist nachts!) kein Halt vor der exzessiven Verbreitung von Akustik-Smog gemacht wurde. Die Nacht war aber trotzdem sehr angenehm, und der sonnige Morgen begann zunächst mit dem Versuch der Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses. Nein, nicht der Gang zur Toilette soll hier thematisiert werden, vielmehr ging es auf Nahrungssuche! Gar nicht so einfach. Sagte man uns zumindest. Die Herausforderung war aber eigentlich keine, denn nach 10 Minuten waren wir mit prall gefüllten Einkaufstüten wieder da, packten den ganzen Plunder an der Futterstelle auf dem Hof aus und hatten beim anschließenden kräftigen Frühstück einige nette Gespräche.

Eine schnucklige junge Dame sprach auf einmal zu mir. Deutsch. Heimisch-vertraut. Sächsisch! Was ist denn hier los? Romy hieß sie, war aus Dresden und mit ihrem niederländischen Freund Eddy auf dem Weg nach China. Einige Monate waren die beiden schon unterwegs, genau wie ein bayrischer Radtourist, der zusammen mit seinem Material eine beachtliche Laufleistung aufweisen konnte. Das eine Lager – soviel ist mir im Gedächtnis – hatte 45.000 Kilometer runter. Dafür brauch ich selbst mit meinem Auto fast 3 Jahre! Hans-Herbert (Name von der Redaktion mangels Kenntnis frei erfunden) war es auch, der uns fragte, wo wir so schnell unser Frühstück herbekommen hatten. Nach einer kurzen Beschreibung meinte er, dass der von uns gewählte Weg bewusst von allen vermieden wird, da in der einen Gasse wenige Tage zuvor ein Japaner von Einheimischen krankenhausreif geschlagen wurde. Warum zum Teufel sagt uns das keiner vorher?

OK, das hätten wir also überlebt. Fahren wir mal mit dem Marschrutka weiter, und zwar zum landschaftlich sicher interessantesten Teil Kirgisistans, ja, vielleicht unserer gesamten Reise! Etwa 3 Stunden fahrt sind es zum zweitgrößten Bergsee der Welt – dem Lake Issyk-Kul. Er liegt auf knapp 1.500 Metern Höhe mitten im nördlichen Alatau, bietet Strände beinahe wie am Meer und ist eingebettet in fantastische, schneebedeckte Bergmassive, die über die Grenze von 4.000 Metern über dem Meeresspiegel reichen. Unser Ziel ist Tamchy, ein kleines, gemütliches Dorf mitten am Wasser.

Die Fahrt war reichlich ungemütlich. Wie bitte soll ein groß gewachsener Europäer mit durchschnittlich breiten Schultern in so einer Hutschachtel sitzen? OW und ich teilten uns so eine Art Zweiersitz. Im 15-Minuten-Takt wechselten wir die Position unserer Rücken – einer vorne, einer hinten. Nebeneinander passten unsere Schultern nicht. Klingt unglaubwürdig, ist aber so. Der Lohn dafür ist aber mehr als üppig. Nur etwa 300 Meter sind es von der Straße zum Strand. Die Kulisse, die uns dort erwartet, haut uns förmlich um! Wir zögern nicht lange und gehen ins Wasser, obwohl es draußen bei weitem nicht mehr so warm ist wie zuvor in Usbekistan oder auch in tiefer gelegenen Gebieten von Kirgisistan. Die rund 20 Grad Lufttemperatur sind aber vollkommen ausreichend, das Wasser ist nicht viel kälter.

Im Lonely Planet steht, dass man am Strand 50 Meter nach links laufen und dort Herrn XY nach einer Unterkunft fragen soll. Joa, na wenn das da so steht? Gesagt, getan. Und schon haben wir unsere Unterkunft in einem kleinen Haus mitten am See, was von einer armen, aber sehr netten Familie bewohnt wird. Die Toiletten entsprechen dem üblichen Standard: Loch im Holz, fertig ist der Lack. OK, Boxen drumrum. Spülung? Fehlanzeige. Klingt abenteuerlich, ist aber an sich eine recht hygienische Sache. Jedenfalls erwecken die „sanitären Anlagen“ keinen abstoßenden Eindruck.

Zum Mittag hin kommt der Hunger, und wir gehen abermals auf die Jagd nach den kulinarischen Köstlichkeiten des Ortes. Das fällt nicht schwer, denn in dem überschaubaren Dorf gibt es nur ein Lokal. Dort ist es angenehm, was auch auf die Bedienung zutrifft. Bei der Musik hat man das Gefühl, als wenn ein Teenager durch die Lieder seines mp3-Players zappt, und genau das ist auch irgendwie der Fall, nur ohne Teenager. Da aber das Essen sehr lecker ist, wird wohl ein weiterer Besuch fällig werden müssen. Genau genommen dauert es bis zu diesem keine 4 Stunden. Gleich am Abend gehören die 4 bunten Hunde aus Europa wieder zur überschaubaren Gästezahl.

Wir planen noch schnell den nächsten Tag und wollen zeitig ins Bett. Eine Dusche genehmigen wir uns vorher nicht. Klar, es kommt ja auch kein Wasser aus dem Scheißding. Das Bad im glasklaren, ganz leicht salzigen See sollte aber die schlimmsten Gerüche und Verschmutzungen beseitigt haben. Und selbst wenn nicht, so gilt immer noch der kluge Spruch zweier Freunde und Weltenbummler aus dem heimischen Erzgebirge: „Stinken fetzt!“ Thank you, Frank + Bisch, for those words of wisdom.

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