20. Tag: Locomotive Breath

Heute ist Abreisetag. Raus aus Almaty, auf zu neuen Ufern. Das heißt dann auch: Es geht für OW und mich hinaus in die Weiten des Ostens ohne Sprachunterstützung in Form unseres Dolmetschers Thomas. Ach, was soll’s! Hände und Füße sind noch dran, also steht der Kommunikation praktisch nichts im Wege. Zunächst aber haben wir mal wieder unseren üblichen Stress mit der Zeit, denn ausnahmsweise spielt die heute eine Rolle. Wir schlafen lang und müssen noch frühstücken, duschen, packen, einkaufen, zum Bahnhof fahren. Reicht das, um 2 Stunden zu füllen?

Keine Minute haben wir verschenkt, als wir endlich im Taxi sitzen. Zum Bahnhof Almaty I ist es recht weit, und doch verläuft alles gut, wir kommen pünktlich an. Überpünktlich, wie sich alsbald herausstellt. Denn die angepeilte Abfahrtszeit haben wir vom falschen Ticket entnommen. Zu blöd! Hätte auch nach hinten losgehen können, wenn man genauer darüber nachdenkt. So sitzen wir jetzt erstmal entspannte 2 Stunden in der Wartezone des Bahnhofs. Doch welch Wunder: Wir haben freies WLAN! So vergeht die Warterei wie im Flug.

Die Pfeife vom Schaffner ertönt, es geht los im Wagen vom „Waggonbau Görlitz“. Der Zug soll uns nun in etwas mehr als 30 Stunden nach Novosibirsk bringen. Das dürfte interessant werden, da es schnurstracks gen Norden geht. Landschaftlich sollte da einige Bewegung im Spiel sein. In der 4er-Kabine haben wir noch einen älteren Herrn aus Russland, er ist recht verschlossen, in seiner Art leicht unterkühlt. Das ganze Gegenteil ist die ebenfalls im Abteil untergebrachte Kinderärztin aus Kasachstan. Wir plaudern ganz nett. Die besagten Hände und Füße sind dabei Sprechorgan Nummer 1, aber auch OWs fettes Wörterbuch erweist sich als hilfreich. Die Konstruktion eines Satzes dauert dann zwar etwa 10 Minuten, aber mit Rauchzeichen ging’s früher auch nicht schneller. Ja, schwacher Trost, ich weiß.

Aus dem Nebenabteil lernen wir schnell Anton kennen, einen jungen Russen aus der Stadt Tomsk. Ein cooler Typ mit gutem Englisch, der zudem verdächtig nahe an unserem Bierkonsum rangiert. Es versteht sich von selbst, dass er dennoch hinter uns zurückbleibt. Außerdem haben wir eindeutig den besseren Bierkühler (das feuchte Tuch um die Flasche, das alles am Kleiderhaken befestigt), der sich bereits auf der ersten Zugfahrt bewährt hat. Um die Reserven regelmäßig aufzufüllen und dazu noch ein paar Magenfüller zu ergattern, nutzen wir die längeren Stopps. Man findet dann auf den Bahnsteigen allerhand provisorische Verkaufsstände, an denen vornehmlich ältere Mütterchen allerhand Zeugs verkaufen. Das Sortiment reicht dabei von den üblichen Alkoholika über Rauchwaren bis hin zu selbst gemachten Leckereien. Letztere sind beinahe unverzichtbar auf einer solchen langen Fahrt, deswegen schlagen wir kräftig zu!

Im baugleichen Zug von Almaty nach Shimkent war die Nacht reichlich schlecht. Mal schauen, wie sich die Sache heute gestaltet. N8i!

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